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Ostfriesland - Eine Ode an das Moin

Wie sagt man so schön? Die Wurzeln lassen sich nicht verleugnen. Mein Mann und ich kommen aus Norddeutschland. Und auch wir haben unsere Bräuche und Traditionen. Aber selbst im Norden gibt es regionale Unterschiede. Das Buch welches ich euch vorstellen möchte, zeigt zum Beispiel die Eigenarten in Ostfriesland auf. Seid ihr gespannt? Dann lest weiter! 

 

Vom --> Conbook Verlag habe ich den --> Fettnäpfchenführer Ostfriesland - Eine Ode an das Moin von Sylvie Gühmann erhalten. Das passt doch prima. Wer kann so ein Buch nicht besser rezensieren als jemand aus dieser Region? Ich wohne mit meinem Mann zwar bereits seit über 17 Jahren im bayerischen Chiemgau, aber unsere Familien sind nach wie vor in Norddeutschland. So finden wir mal häufiger, mal weniger oft den Weg über die A8 in Richtung Norden und erreichen nach rund 900 km unsere nordische Heimat. Und jedes Mal zeigen sich die ein oder anderen im Buch genannten Besonderheiten, die wir heute mehr denn je zu schätzen wissen. 

Plattdeutsch für Anfänger

Ich komme wie gesagt auch aus Norddeutschland, aus einer Kleinstadt, aber Platt ist auch für mich fast wie eine Fremdsprache. Ich bin mit nahezu astreinem Hochdeutsch aufgewachsen - zumindest glaube ich das. Meine Heimatstadt liegt rund 100 km südlicher als das oftmals im Buch erwähnte Städtchen Leer in Ostfriesland. Zwar haben die älteren Menschen auf dem umliegenden Land ebenfalls Platt gesprochen und das meiste konnte ich mir zusammen reimen, aber beherrschen tue ich diese Sprache nicht. 

Die ersten Besuche bei meinen (damals) Schwiegereltern in spe waren dementsprechend anstrengend und gesprochen wurde auch nicht viel. 

In Fettnäpfchen Nummer 5 wird ein schöner Moment gezeigt indem die Auskunft auf Platt einfach nicht weiterführt, weil eben kein Wort verstanden wird. Hätte damals auch mir passieren können! Und die in Nummer 6 gezogene Erkenntnis, sollte sich jeder zu Herzen nehmen. Wie bei jedem anderen Dialekt - Plattdeutsch ist allerdings eine Sprache! - sollte man nicht versuchen Platt zu sprechen, denn man wird schnell enttarnt und der Vergleich mit den Ansagen der Deutschen Bahn ist hier durchaus treffend gewählt. Das Moin! bekomme ich aber ganz gut hin.

Auch nach 17 Jahren in Oberbayern ist mit wenigen Worten klar woher wir kommen und eben keinen bayerischen Dialekt beherrschen. Daher lassen wir das lieber. 

Teetied - ein Welterbe

Ein relativ langes Kapitel (Nummer 10) ist dem Welterbe der Ostfriesischen Teekultur gewidmet. In Ostfriesland wird nicht einfach Tee getrunken. Nein, das Tee trinken wird hier zelebriert. Leider kann ich mich auch hier nicht ganz davon freisprechen nicht auch mal in ein Fettnäpfchen getreten zu sein. Bei meinen ersten Besuchen in Ostfriesland kannte ich den Nutzen des kleinen Löffels ebenfalls nicht und so habe ich weitaus mehr Tassen Tee getrunken, als ich eigentlich wollte. Aber ich habe dazu gelernt. Immerhin rührt mein Mann den Tee um, sobald Kluntje und Sahne in der Tasse sind. Und er ist echter Ostfriese. Tsss!

Auch wir trinken wenn wir zu Besuch in der Heimat sind viel schwarzen Tee und natürlich so wie es sich gehört mit Kluntje und Wulkje. Und sobald das Wetter umschlägt findet auch im südöstlichen Zipfel Deutschlands immer wieder mal eine ostfriesische Teezeremonie im heimischen Wohnzimmer statt. Wenn es draußen kälter wird und es stürmt oder sogar schneit, dann ist diese norddeutsche Art Tee zu trinken genau richtig. Gemütlich und entschleunigend. Herrlich.

Ein Besuch im Teemuseum in Leer kann ich übrigens nur empfehlen. Wir waren im letzten Winter dort. Einen kleinen Bericht dazu findet ihr im folgendem Beitrag. --> Ein Winterspaziergang durch Leer

Strampeln im Gegenwind

In Norddeutschland wird viel Rad gefahren und auch wir haben schon die ein oder andere Radtour unternommen. Es ist doch alles so schön flach und daher ganz easy zu bewerkstelligen. Ganz im Gegensatz zu unserer neuen Heimat im Chiemgau wo es kaum eine Strecke ohne Anstieg gibt.

Das das Radfahren in Ostfriesland aber eben auch anstrengend sein kann, liegt vor allem am Wind. In Kapitel 16 gibt es wieder eine schöne Anekdote dazu und ich gehe davon aus, dass schon viele Urlauber den Gegenwind wirklich unterschätzt haben. Auch uns ging es in unserem letzten --> Urlaub auf der Insel Juist so. Die Insel ist autofrei und natürlich hatten wir uns Räder geliehen. E-Bikes? Brauchen wir nicht! Tja in die eine Richtung hat das Radeln richtig Spaß gemacht, aber dann wieder zurück stetig gegen den Wind an zu strampeln war doch ganz schön anstrengend. 

Norddeutscher Volkssport

Die in Nummer 42 und 43 beschriebenen typisch ostfriesischen Traditionen haben wir sogar mit nach Bayern genommen und veranstalten bereits seit 7 Jahren eine alljährliche Boßel- und Kohlfahrt. 

Es haben sich schnell Freiwillige gefunden, denen wir unser norddeutsches Brauchtum näher bringen konnten. Denn auch in Bayern trinkt man gerne mal einen. Auf einer nahezu flachen Strecke (allerdings mit einigen Schikanen - sie ist nicht ganz gerade) boßeln wir jedes Jahr in zwei Teams einen Gewinner aus. Mit dem Bollerwagen, bestückt mit kleinen Leckereien, Bier und natürlich Schnaps ziehen wir mit unseren bunten Warnwesten los. Im Anschluss geht es gemeinsam nach Hause zum Grünkohl Essen. Der Grünkohl wird natürlich original gekocht und mit Pinkel und Mettenden serviert. Dazu gibt es Kartoffeln. Lecker! Darauf freut sich jeder und wartet schon voller Vorfreude bis es endlich wieder soweit ist. Getreu nach dem Motto: Nich lang schnacken, Kopp in Nacken! 

Eine Empfehlung? Ganz klar Ja!

Natürlich war ich auch schon einmal am "Otto Leuchtturm" in Pilsum und habe den rot-gelb gestreiften Turm vor dem blauen Himmel bewundert. Auch die Tradition des Osterfeuers ist mir nicht fremd. Selbst in der Fetenscheune klebten meine Schuhe ebenfalls schon einmal am Charly-getränkten Boden (lang ist es her und die Location hieß damals auch noch anders). Krabbenpulen check. Im Sommer am Meer gestanden und das Meer war weg - klar. Wer schaut schon auf den Gezeitenkalender?! Bisher habe ich leider erst drei ostfriesische Inseln besucht. Ich habe mir aber fest vorgenommen meine Liste noch zu erweitern. Baltrum fehlt unter anderem noch. Danke jetzt schon einmal für die Tipps. Brötchen fliegend aus der Hand geklaut? Aber sowas von! Seehunde gesehen und in Ruhe gelassen. Gehört sich so! Die fünfte Jahreszeit erlebt? Ja. Es ist Pflicht einmal auf dem Gallimarkt gewesen zu sein.

Und seit Jahren backen wir nach dem Rezept meiner Schwiegermutter eine Tonne voll mit Neujahrskuchen. Die schmecken auch unseren bayerischen Nachbarn. 

 

Mich hat dieses Buch total mitgenommen. Ich habe gelacht, bin aus eigener Erfahrung verschämt rot geworden, habe aber auch Neues gelernt. Für mich waren die kleinen Episoden schön zu lesen. Das Buch ist nicht nur für Urlauber empfehlenswert, um die ostfriesischen Eigenarten kennen zu lernen, nein auch für Einheimische ist es durchaus wert mal einen Blick hinein zu werfen. Es wird mit Sicherheit jedem das ein oder andere Schmunzeln entlocken. 

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Kommentare: 2
  • #1

    Sylvie Gühmann (Mittwoch, 11 November 2020 11:38)

    Vielen herzlichen Dank! Bei einer so schönen und ausführlichen Rezension geht mir mein Autorinnen-Herz auf. Herzliche Grüße (irgendwo in den Süden hin ;-)), Sylvie Gühmann

  • #2

    Henning (Mittwoch, 11 November 2020 13:57)

    Heel mooi!